Die Grundlagen der Typografie für Anfänger

Täg­lich sto­ßen wir wäh­rend der Arbeit, auf dem Weg dort­hin oder nach Fei­er­abend auf Pla­ka­te, Zeit­schrif­ten, Wer­be­an­zei­gen, TV-Spots oder Web­sei­ten. Dabei neh­men wir meist nur die Bot­schaft, also den Inhalt des ent­spre­chen­den Medi­ums, wahr. War­um eine bestimm­te Typo­gra­fie oder eine seri­fen­lo­se Schrift ver­wen­det wur­de hin­ter­fra­gen wir nicht, wenn­gleich die Typo­gra­fie eine ent­schei­den­de Rol­le bei der Wahr­neh­mung von Bot­schaf­ten spielt. Die­ser Arti­kel soll die Grund­la­gen der Typo­gra­fie und damit ein­her­ge­hen­de Begriff­lich­kei­ten vermitteln.

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Wäh­rend der Begriff Typo­gra­fie (grie­chisch: Typos = Gestalt, Gra­phien = Schrei­ben) ursprüng­lich die Kunst des Dru­ckens beschreibt, ver­steht man dar­un­ter heut­zu­ta­ge eher den Gestal­tungs­pro­zess mit­tels Schrift, Flä­chen und typo­gra­fi­schem Raum für Druckerzeug­nis­se und digi­ta­le Medi­en. Sie stellt eines der wich­tigs­ten Werk­zeu­ge der Medi­en­in­dus­trie dar.

Typografie und ihre Wirkungen

Typo­gra­fie kann auf uns wir­ken. Sie kann Gefüh­le her­vor­ru­fen und einen gewünsch­ten Ein­druck ver­mit­teln. Typo­gra­fie kann ver­spielt, seri­ös, ernst, kind­lich oder ele­gant wir­ken. Gro­ße Unter­neh­men machen sich die­se Eigen­schaft zu nut­ze und wäh­len ein Cor­po­ra­te Font mit Bedacht (Haus­schrift­art eines Unter­neh­mens – wird zur äußer­li­chen und inter­nen Kom­mu­ni­ka­ti­on genutzt). Als Betrach­ter ver­bin­den Sie Schrift­ar­ten mit bestimm­ten Eigen­schaf­ten, die Sie unter­be­wusst auf das Unter­neh­men trans­por­tie­ren. Vor­aus­ge­setzt die Eigen­schaf­ten der Schrift decken sich mit dem Image (bzw. ange­streb­ten Image) des Unter­neh­mens und wird kon­se­quent genutzt. Ein Bei­spiel soll dies veranschaulichen:


Die fol­gen­de Gra­fik zeigt Bei­spie­le zur Wir­kung von Typografie.

Serifenlose Schriften vs. Serifenschriften

Den Unter­schied zwi­schen seri­fen­lo­sen Schrift­ar­ten und Seri­fen­schrift­ar­ten ken­nen Sie. Falls nicht, fehlt Ihnen sicher­lich ledig­lich das ent­spre­chen­de Voka­bu­lar. Als Seri­fe bezeich­net man eine Art Ver­schnör­ke­lung der Buch­sta­ben. Fol­gen­de Gra­fik zeigt Ihnen den direk­ten Ver­gleich zwi­schen einer Seri­fen­schrift (links) und einer seri­fen­lo­sen Schrift (rechts).

Warum Serifen nützlich sind

Sind Seri­fen­schrif­ten nicht alt­ba­cken und in der Zeit von Ein­fach­heit und Puris­mus längst über­holt? Um die­se Fra­ge zu beant­wor­ten, soll­ten wir uns vor Augen füh­ren, wo wir mit Seri­fen­schrif­ten in Berüh­rung kom­men. Haben Sie eine Idee? Wenn Ihnen jetzt Bücher, Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten durch den Kopf gegan­gen sind, lie­gen Sie voll­kom­men rich­tig. Bücher, Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten ent­hal­ten in der Regel sehr lan­ge und zusam­men­hän­gen­de Tex­te. Tex­te, deren Inhal­te im Fokus ste­hen und nicht durch die Wir­kung von Schrift­ar­ten beein­flusst wer­den müs­sen. Das A und O die­ser Tex­te ist die Les­bar­keit der zur Ver­fü­gung gestell­ten Infor­ma­ti­on. Seri­fen haben die Eigen­schaft, die Les­bar­keit eines lan­gen Tex­tes posi­tiv zu beein­flus­sen, indem sie das Auge des Betrach­ters in der Zei­le hal­ten. Seri­fen geben dem mensch­li­chen Auge Halt und Ori­en­tie­rung. Durch Seri­fen schei­nen die Buch­sta­ben dich­ter bei­ein­an­der, sodass für das mensch­li­che Auge eine Art ima­gi­nä­re Linie ent­steht. Je län­ger ein Text, des­to stär­ker ist der Effekt.

Im Web gel­ten ande­re Gesetz­mä­ßig­kei­ten. Eine Web­site hat meist nur sehr wenig Zeit um einen Besu­cher von ihrem Inhalt zu über­zeu­gen. Aus die­sem Grund fin­den wir im Web eher kur­ze Tex­te. Zudem gel­ten für Web-Tex­te seit der Ein­füh­rung von so genann­ten Web­fonts die glei­chen Bedin­gun­gen wie für Wer­be­pla­ka­te, TV-Spots oder Print­an­zei­gen. Der Typo­gra­fie soll den Inhalt und das Image der Web­site unter­stüt­zen. Gera­de moder­ne, welt­of­fe­ne und inno­va­ti­ve Unter­neh­men set­zen dabei meist auf seri­fen­lo­se, schlich­te und moder­ne Schrift­ty­pen. Tra­di­tio­nel­le und kon­ser­va­ti­ve Unter­neh­men mit lan­ger His­to­rie set­zen aus die­sem Grund oft bewusst Seri­fen­schrif­ten ein. Denn in die­sem Kon­text unter­stüt­zen sie das Image des Unternehmens.

Das 1x1 der Typografie - Vokabular

Pun­ze, Seri­fe, Trop­fen oder Grund­strich. Das Voka­bu­lar der Typo­gra­fie ist umfang­reich. Daher möch­ten wir das Typo­gra­fie Voka­bu­lar mit Hil­fe von zwei Gra­fi­ken veranschaulichen.

Die wich­tigs­ten typo­gra­fi­schen Voka­beln möch­ten wir zudem kurz für sie erläutern.

  • Grund­strich: So bezeich­net man die stärks­te und zugleich senk­rech­te Linie eines Buch­sta­ben, wird auch Stamm genannt
  • Haar­strich: Sind fei­ne, zusätz­lich zum Grund­strich exis­tie­ren­de Linien 
  • Seri­fe: Ver­schnör­ke­lung der Schrift
  • Auf­strich: Nach oben geführ­ter Strich in einem Buchstaben 
  • Abstrich: Gegen­tei­lig zum Aufstrich
  • Pun­ze: Ist der geschlos­se­ne bzw. lee­re Innen­raum eines Buch­sta­ben wie der Innen­raum eines „o“ oder der lee­re raum eines „u“ oder „m“
  • Fähn­chen: Kurz ange­setz­ter, abfüh­ren­der Strich im klei­nen „r“ und „g“
  • Anstrich: Der Ansatz zum Strich, an dem kei­ne Seri­fe ansetzt bezeich­net man als Anstrich
  • End­strich: Nach unten geführ­ter Strich
  • Aus­lauf: Endung eines Buchstaben
  • Trop­fen: Run­de Ver­di­ckun­gen etwa beim a, g, c,oder j – sel­ten auch beim e oder o
  • Ein­lauf: Ein­lauf des Bogens in die Senkrechte
  • Ver­sa­li­en: Groß­buch­sta­ben auch Majus­kel genannt
  • Ansatz: (=Keh­lung) Mit Keh­lung wird der inne­re Bogen der Seri­fen bezeich­net. Es gibt wel­che mit gerin­ger oder star­ker Keh­lung und Seri­fen ohne Kehlung.
  • Schat­ten­ach­se: Eine Ach­se durch die bei­den Stel­len eines Buch­sta­ben mit der gerings­ten Strichstärkte

Eine umfang­rei­che­re Auf­lis­tung der Ana­to­mie der Buch­sta­ben fin­den Sie im Design­ta­ge­buch.

Das Liniensystem / Schriftlinien

Buch­sta­ben und Wör­ter kön­nen in der Typo­gra­fie in ein soge­nann­tes Lini­en­sys­tem ein­ge­ord­net wer­den, es dient der Nen­nung ver­schie­de­ner Zei­chen­ma­ße. Die wich­tigs­ten fas­sen wir für Sie zusammen.

  • Die Á-Linie, auch Akzent­hö­he beschreibt den Abstand zwi­schen der Grund­li­nie und dem obe­ren Schei­tel­punkt von Groß­buch­sta­ben mit Akzent (Bei­spiel: Ô)
  • Die H-Linie beschreibt die Ver­sal- bzw. Majus­kel­hö­he, also die Höhe der Großbuchstaben
  • Die x-Linie, auch Mit­tel­hö­he, beschreibt die Höhe der Minus­kel, also die Höhe der Kleinbuchstaben
  • Die Grund­li­nie, auch Schrift­li­nie, ist die Linie auf der die Schrift steht
  • Die p-Linie beschreibt den Teil des Buch­sta­bens, der unter­halb der Mit­tel­län­ge liegt
  • Die Ober­län­ge beschreibt den Teil des Buch­sta­bens, der über die Mit­tel­län­ge hinausgeht

Makrotypografie

Als Makro­ty­po­gra­fie bezeich­net man die Gesamt­ge­stal­tung bzw. Aus­ge­stal­tung einer Druck­sei­te. Zur Makro­ty­po­gra­fie gehö­ren: Sei­ten­for­mat, Satz­spie­gel, Zei­len­län­ge, Zei­len­ab­stand, Zei­len­an­zahl, Glie­de­rung der Sei­te und des Tex­tes, Plat­zie­rung von Bil­dern und Tabel­len im Text, Men­gen­ver­hält­nis von Schrift zu Bil­dern und Tabel­len, Schrift­grö­ße und Schriftauszeichnungen.

Mikrotypografie

Als Mikro­ty­po­gra­fie bezeich­net man die Gestal­tung des Sat­zes zwi­schen den Buch­sta­ben und Zei­chen sowie Wör­tern und Zei­len. Zur Mikro­ty­po­gra­fie gehö­ren: Lauf­wei­te, Abstän­de, Kapi­täl­chen, Liga­tu­ren und die kor­rek­te Anwen­dung von Satzzeichen.

Nehmen Sie Typografie wahr

Ach­ten Sie in der Tages­zei­tung, in Ihrem nächs­ten Roman in der TV-Wer­bung oder einem Wer­be­pla­kat auf die ver­wen­de­te Typo­gra­fie und neh­men Sie sich einen Moment Zeit. Wie wirkt die Typo­gra­fie? Ist ihr Ein­satz gezielt oder will­kür­lich. Über­le­gen Sie sich, ob die vor­lie­gen­de Typo­gra­fie den gewünsch­ten Effekt auf Sie hat. Falls nicht, wor­an könn­te das liegen?